Essen per Handy

Sie lesen die vorderhand letzte Ausgabe von «Gepfeffert». Der Verlag hat dieser Zeitung die Strategie «mobile first» verordnet. Als Kolumnist weiss ich selbstverständlich nicht genau, was diese Strategie beinhaltet. In der Werbung und Kommunikation versteht man darunter, dass alles – also Technik, Inhalt und Ansprache – darauf ausgerichtet ist, dass der Inhalt auf dem Handy konsumiert wird. Von «Lesen» traut man sich in dem Zusammenhang schon fast nicht mehr zu sprechen. Über den Tag verteilt werden dem Publikum – respektive im Marketingslang «der Audience» – unter mehr oder weniger reisserischen Titeln zielgruppenorientierte News-Häppchen serviert, die dann hoffentlich zu Klicks, Likes, Kommentaren und somit zu Werbeeinnahmen führen.

Jedenfalls führte diese Strategie dazu, dass es diese Kolumne (und andere) nicht mehr geben soll. Denn wer will schon rund 4’200 Zeichen über Genuss und Lebensfreude lesen? Das hat ja auf keinem Handybildschirm Platz. Und empören kann man sich dabei auch nicht recht. Logisch, dass es da auch keine Kolumnisten mehr braucht. Wahrscheinlich im Zeitalter von Influencern sowieso ein aussterbender Beruf. (Ich sehe leider auch gar nicht mehr so knackig aus, wie alle diese Instagram-Stars).

Aber eigentlich kann man dem Verlag keinen Vorwurf machen. Er setzt mit der neuen Strategie nur um, was wir als Konsumenten und Gäste auch im kulinarischen Bereich schon längstens machen und offenbar fordern. Auf der Strasse schneiden sich die unterschiedlichen Kuriere gegenseitig den Weg ab: auf ihren Autos und Rucksäcken steht JUST EAT!, UBER EATS oder einfach nur «eat!» Wir bestellen unser Essen – also eigentlich müsste ich sagen unseren Food – über das gleiche Handy, über welches wir kurz vorher ein Newshäppchen oder einen Instagram-Post konsumiert haben.

Im kürzlich eröffneten neuen McDonalds am Centralbahnplatz versucht man lästige und unerwünschte Interaktion zwischen dem Gast und den Mitarbeitenden auch mit Apps und Terminals zu verhindern. An grossen Automaten kann man – bloss zwei Meter von der eigentlichen Theke entfernt – sein Meal zusammenstellen. Ich bin sicher: es geht nicht mehr lange, da bringt mir eine Drohne mein Food nach Hause oder ins Office.

Selbstverständlich sind all diese verschiedenen Super-, Fast- und Streetfoods hygienisch in verschiedene Folien, Dosen und Schachteln verpackt. Während wir mit der einen Hand den Wrap oder Burger auspacken und essen, tippen wir mit der anderen auf der Newsapp den nächsten Artikel an, welcher über die Bedrohung durch Mikroplastik aufmerksam macht. Unsere Empörung ist gross und wir machen mit einem zornigen Emoji unserem Unmut Luft.

Apropos Emojis: von all den Symbolen werden die Aubergine, die Kirschen und der Pfirsich mehr verwendet als der Wrap und Burger. Dass damit in eindeutigen Chats männliche oder weibliche Geschlechtsteile gemeint sind, weiss ich auch erst, seit ich gelesen habe, dass Auberginen und Pfirsiche auf Facebook tabu sind, wenn der Nutzer sie in einem sexuellen Kontext verwendet. Hält man sich nicht daran, wird das Konto gesperrt. Gleiches gilt für Instagram. Die Algorithmen und künstlichen Intelligenzen werden mich schneller ertappen, als ich tippen kann.

Aber zum Glück gibt es die Apps der Krankenkassen. Die belohnen mich dafür, dass ich die Treppe statt dem Lift nehme, das Velo statt das Tram, und ich über Mittag statt einer Happy Waffel einen Powerdrink konsumiert habe. Wenn das Fitness-Armband zudem merkt, dass ich 10’000 Schritte gelaufen bin, dann werde ich mit einem Bonuspunkt belohnt.

Nach solch anstrengenden Tagen ist es natürlich etwas viel verlangt, zuhause noch aufwendiges Essen zuzubereiten. Zum Glück haben Betty und Anna bereits für mich vorgekocht und ich muss die gluschtigen Mahlzeiten – von Ernährungsspezialisten für mich entwickelt – nur noch schnell in der Mikrowelle erwärmen. So bleibt mir auch ein bisschen mehr Zeit, um auf Netflix eine neue Folge von Chef’s Table anzusehen, wo mir die weltweit besten Köche vorgestellt werden.

Diese letzte Kolumne schreibe ich im Homeoffice. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga versichert, das Leben höre nicht auf. Es sei bloss verlangsamt. Sehen Sie es als Chance, das Handy aus der Hand zu legen und wieder mal selbst zu kochen. Zum Beispiel eine Aubergine.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.