Ich freue mich immer sehr, wenn ich für GRANDE, das Magazin von Hochstamm Suisse eine Kolumne schreiben darf. Dieses Mal haben es mir die Birnen besonders angetan. Für alle, welche das Magazin nicht bekommen haben, hier meine Gedanken:
NOMEN EST OMEN!
Kürzlich habe ich nach vielen Jahren wieder mal eine «Birre-wegge» gegessen. Ich kann gar nicht sagen, wieso dieses feine Gebäck bei mir nicht mehr auf dem Einkaufszettel stand: Es ist wie in Vergessenheit geraten. Wahrscheinlich war ich so damit beschäftigt, keinen neuen kulinarischen Trend zu verpassen, dass mir das Offensichtliche entging. Wie heisst das Bonmot dazu? «Weshalb in die Ferne schweifen? Das Gut liegt so nah!»
Dabei ist das ein ausserordentlich gutes Gebäck: Dank der Früchte hat es eine angenehme Säure, welche super zum Teig passt, welcher die Birnenmasse umgibt. Leicht gewürzt mit Zimt, Koriander, Muskatnuss und einem Hauch von Anis überhaupt nicht mastig-süss. Und mit seinen Vitaminen auch ein gesunder Leckerbissen auf einer Wanderung oder bei einem langen Arbeitstag.
So kam es, dass ich mich für diese Kolumne wieder ein bisschen ausführlicher mit der Birne beschäftigt habe. Leider haben wir offenbar zusammen mit dem Trend zu immer funktionalerer Ernährung aufgehört, Lebensmittel zu konsumieren, die nach etwas schmecken. Die Birne wird als Tafelobst wenig gekauft und wenn, dann als neue Züchtung, welche bewusst weniger intensiv schmecken sollen. Die heissen dann zum Beispiel QTee und sollen gemäss einem Konsumentenfeedback «fest, grün und absolut geschmacksneutral» sein.
Früher war der Saft der Birne auch ein wichtiger Bestandteil im «Apfelsaft». Aber auch hier mussten die Mostereien den Anteil reduzieren, weil die Konsumenten nach «leichtem» Geschmack verlangen. Fairerweise muss dazu gesagt werden, dass dieser Trend nicht ganz neu ist. Denn sonst gäbe es wohl die Birreweggen nicht. Denn schon früher konnten die Bauern nicht alle frischen Birnen verkaufen und haben sie – um keinen Verlust hinnehmen zu müssen – gedörrt oder an der Sonne getrocknet. Aus diesen Dörrfrüchten haben die Frauen im Spätherbst dann eine Früchtemasse kreiert, diese in einem Teig eingerollt und das Ganze im Backofen gebacken. Dabei nutzten sie die Restwärme im Backofen nach dem Brotbacken.
Es ist ausgesprochen schade, dass unter den typischen Hochstamm-Obstsorten ausgerechnet die Birne so einen schweren Stand bei uns Konsumenten hat. Denn hochstämmige Birnbäume prägen unser Landschaftsbild seit Jahrhunderten. Wenn irgendwo ein richtig, richtig grosser Obstbaum steht, dann ist es höchstwahrscheinlich ein Birnbaum. Sie bilden majestätische pyramidale Kronen und können ein sehr hohes Alter erreichen.
Damit sind sie nicht nur einfach ein schönes Fotosujet für den Heimat-Kalender, sondern wertvolle Kulturlandschaftselemente und wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen. In den letzten 20 Jahren fielen Birnbäume jedoch mehr noch als andere Feldobstbäume der Kettensäge zum Opfer. Siedlungsdruck, mangelnde Pflege und eben fehlende Wirtschaftlichkeit wegen schlechter Absatzmöglichkeiten sind die Gründe.
Seit mir das wieder bewusst wurde, habe ich wieder explizit Birnen auf meinen Einkaufszettel geschrieben: Sie passen nicht nur wunderbar auf eine Käseplatte, sondern lassen sich auch gut bei Rezepten einsetzen, welche eigentlich mit Äpfeln gemacht werden. Kürzlich konnte ich Gäste mit einer Tarte tatin begeistern, bei welcher ich statt Äpfeln Birnen verwendet habe. Die Verbindung der Aromen des karamellisierten Zuckers mit der Säure der Birne: delikat!
Überhaupt werden Früchte auch in der «salzigen» Küche total vernachlässigt. Ein ganz profanes Tortellini-Rezept mit Salbei-Butter habe ich kürzlich mit dem Hinzufügen von ein paar Birnenschnitzen zu einem Highlight «gepimpt». Einfach die Birnenschnitze zusammen mit den Salbeiblättern in Butter anziehen lassen, bis die Birnenschnitze leicht karamellisiert haben und die Salbeiblätter knusprig sind. Wenn der Butter noch ein grosszügiger Schluck Olivenöl beigefügt wird, wird die Butter auch nicht braun und transportiert die Aromen vorzüglich. Dafür habe ich schlicht und einfach die «Gute Luise» verwendet, und es wurde mir wieder mal bewusst, wieso bereits die Lateiner recht hatten, als sie sagten: «Nomen est omen!»
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