Schnaps war sein letztes Wort

Für diese Kolumne für das Gönnermagazin «GRANDE» von Hochstamm Suisse musste ich einige Schnäpse trinken…

Schnaps, das war sein letztes Wort

«Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort …». Dieses Karnevalslied, 1960 gesungen vom Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch, spielt darauf an, dass Schnaps vor allem wegen seines Alkoholgehaltes zur Berauschung getrunken wurde. Tatsächlich war ein Schnaps lange Zeit auch bloss ein Nebenprodukt der Obstproduktion: das Fallobst, welches nicht als Tafelobst verkauft werden konnte, wurde von den Bauern einfach in das Fass geworfen. Gemeint ist das Maischefass, in welchem die überall vorhanden Hefebakterien sofort damit begannen, Zucker in Alkohol umzuwandeln. Nach einer stürmischen Gärung zu Beginn verlangsamt sich der Prozess nach ein paar Tagen, bis schliesslich nach ein paar Wochen der Zucker komplett in Alkohol umgebaut wurde.

Im Winter, wenn es auf dem Hof sowieso weniger zu tun gab, wurde die Maische destilliert und zu Schnaps gemacht. Häufig machte man sich auch gar nicht die Mühe, die Früchte zu trennen: Birne oder Apfel – die sprichwörtliche Verwechslung war egal und es kam alles ins gleiche Fass. Das Ergebnis war dann auch entsprechend: der Obstler, Träsch, Bätzi oder das Bätziwasser war gerade gut genug, um zusammen mit dünnem Kaffee als Kaffi fertig getrunken zu werden.

Dass diese Form der Obstverwertung der Volksgesundheit und dem Familienfrieden auf den abgelegenen Höfen nicht gerade förderlich war, fiel auch den Behörden auf. Deshalb wurde 1932 ein neues Alkoholgesetz erlassen, mit welchem die «brennlose Obstverwertung» staatlich unterstützt wurde. Man hat den Saft der Birnen eingedickt, bis ein honigähnliches Produkt entstanden ist. Der Birnendicksaft erfüllte dabei gleich zwei verschiedene Zwecke: Zum einen wurde vermieden, dass die Birnen als Schnaps den
Alkoholismus fördern konnten. Zum anderen wurde Birnel an Bedürftige abgegeben. So ist vielen auch heute noch Birnel als «Honig für die Armen» bekannt.

Diese Entwicklung führte wohl mitunter dazu, dass der Obstschnaps heute – völlig zu Unrecht – bei den Spirituosen ein Schattendasein führt. Wer sich in den hippen Bars umschaut, der stellt fest, dass die Konsumenten heute Whisky, Wodka, Gin und Rum trinken. Auf jeden Fall alles interessante Spirituosen, die aber entweder keinen Geschmack haben oder aber ihren Charakter über ein Holzfass oder zugefügte Botanicals wie Wachholder im Gin erhielten.

Zum Glück gibt es heute Bauern und Brenner, die mit viel Wissen, Engagement und Begeisterung dem Obstschnaps zu neuen Ehren verhelfen. Als Genussenthusiast und Gastrojournalist kann ich versichern, dass Sie sich auf eine unglaublich grosse Palette sensorischer Überraschungen freuen können, wenn Sie sich auf eine Entdeckungsreise zu den Fruchtdestillaten begeben.

Damit beste Destillate entstehen, müssen Bauern und Brenner Hand in Hand arbeiten. Grundsätzlich gilt wie überall: nur aus besten Rohprodukten erzielt man eine aromareiche und sortentypische Qualität. Nur frisches, sauberes Obst, so richtig zum
hineinbeissen und vollreif gepflückt, bringt eine Topqualität. Unreifes,krankes oder fauliges Fallobst bringt neben zu wenig Zucker und zu wenig Fruchtaromatik auch grasige und krautig anmutende Mufftöne in die Maische. Die Auswirkungen sind eine schlechte Alkoholausbeute und sensorische Fehltöne.

Als Rohstoff für die Herstellung von qualitativ hochstehenden Destillaten kommen grundsätzlich alle zuckerhaltigen und gärfähigen Stoffe in Frage. Das können einheimische Früchte, Beeren, Gemüse, Getreide, Wurzeln, Wildfrüchte und vieles mehr sein. Aber nicht jedes Produkt muss sofort eingemaischt werden. Zum Beispiel können Früchte auch noch etwas gelagert werden. Bei manchen Wildfrüchten wie Schlehe, Mispel oder Vogelbeere muss der erste Frost abgewartet werden. Der Zuckergehalt steigert sich danach und der Gerbstoffgehalt wird vermindert.

Vor dem Einmaischen werden die Früchte zerkleinert. Dafür stehen den Brennern je nach Grösse Walzenmühlen, Rätzmühlen oder Mixer zur Verfügung. Es ist wichtig, dass Kerne und Steine auf keinen Fall beschädigt oder zerstört werden. Das würde zur Folge haben, und das ist nicht gewollt, dass ein Bittermandelton die Fruchtaromen überlagert. Der Maische wird nun eine passende Reinzuchthefe zugesetzt. Abgefüllt in luftdichte Kunststofffässer wird der Fruchtzucker in Ethylalkohol und Kohlendioxyd umgewandelt.

Bei einer optimalen Gärtemperatur von etwa 18 Grad Celsius steht einer sauberen, reintönigen Vergärung nichts mehr im Weg. Nach etwa drei Wochen sollte die vergorene Maische gebrannt werden.

Die Stunde der Wahrheit ist die Destillation: Der Vorgang des Brennens ist eigentlich ein Sieden der Maische. Dadurch wird der Trinkalkohol (Ethanol) zusammen mit anderen flüchtigen Stoffen bei einem Siedepunkt von 78.3° Celsius aus der Maische herausdestilliert.

Es entsteht ein intensiver Wärme- und Stoffaustausch zwischen zurückfliessendem Kondensat und aufsteigendem Dampf und der Alkohol konzentriert sich beim Aufsteigen in der Kolonne. Die Kunst besteht darin, die in der Maische befindlichen Alkohole und Aromastoffe möglichst schonend zu brennen.

Ein frisch destillierter Brand ist noch unfertig und schmeckt alkoholisch scharf. Er ist auch noch nicht vollaromatisch und wirkt rau. Eine Reifung von mindestens zwei bis drei Monaten, möglichst bei Zimmertemperatur und dunkel gelagert, gibt dem Brand ein harmonisches und abgerundetes Bouquet. Anschliessend wird das Destillat mit Wasser auf eine Trinkstärke von etwa 40 % Vol. Alkohol herabgesetzt, gekühlt und filtriert. Nun beginnt die Lagerung der Edelbrände: optimal in dunklen Flaschen und in kühlen, dunklen Räumen. Die meisten Destillate reagieren auf Luftkontakt empfindlich. Das Fruchtaroma verschwindet in einer offenen Flasche rasch oderbekommt eine ranzige Note.

Sie ahnen es: Destillate, welche mit so viel Können und Engagement hergestellt werden, sollten nicht als Schnaps bezeichnet und mit Kaffee verdünnt werden. Bestellen Sie das nächste Mal als Digestif nicht einen Whisky, Cognac oder einen „Vielle“, der mit Karamel versetzt ist, sondern eine klares, aromatisches Fruchtdestillat und erleben Sie die Eleganz der Aromen von reifen Früchten.

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